Ganz still, begleitet von leiser Jazzmusik, bewegt sich die Kamera in den Raum, der von einer Stehlampe erleuchtet ist. Der Mann, der dort auf dem Bett schläft, ist offenbar bei der Lektüre eines Magazins eingenickt, er ist jedenfalls noch bekleidet, auch mit Schuhen. Dann wacht er auf: Aber nur widerwillig, geweckt vom hungrigen Kater, der ihm auf den Bauch gesprungen ist. Mühsam erhebt er sich von seinem Ruhelager, aber eine Zigarette glimmt in seinem Mundwinkel, noch bevor sein Gefühl für Zeit und Raum aus der Müdigkeit zurückgekehrt ist. Mangels Katzenfutter improvisiert er in einer Aluminiumschale eine Mahlzeit, doch der Kater ist ein Gourmet und lehnt die Mixtur ab, nun steht also der Gang in den Supermarkt an. Im Appartement gegenüber führt eine Gruppe junger halbnackter Frauen in einer Mischung aus LSD-Trip und Meditation skurrile Tänze mit transparenten Seidentüchern auf; als ihr Nachbar ihnen mitteilt, er werde nun – um drei Uhr morgens – in den Supermarkt fahren, um Katzenfutter zu kaufen, lässt sich freilich nicht mehr bestimmen, wer in dieser Situation bizarrer erscheint. Die Katzenfütterung zu Beginn des Films erstreckt sich übrigens über insgesamt zwei Sequenzen von jeweils zwei Minuten.
Dieser Mann ist Philip Marlowe, ein Privatdetektiv; man könnte auch sagen: der Privatdetektiv. Marlowe stammt aus der Feder von Raymond Chandler (1888–1959), der diesen Charakter Ende der 1930er Jahre in die Krimi-Literaturwelt einführte. Das gleichnamige Buch, das dem Film zugrunde liegt, erschien 1953.
Kurz nachdem Raymond Chandler das Buchprojekt abgeschlossen hatte, verstarb seine 18 Jahre ältere Frau Cissy. Mit diesem Verlust begann für Chandler eine ungemein selbstzerstörerische Phase, an deren Ende er sich in den Tod soff.
Kriminalgeschichten machten Chandler berühmt und erfolgreich. Sein weltbekannter Charakter Marlowe wurde von Humphrey Bogart verkörpert, 1946 in „Tote schlafen fest“. Dieser Marlowe hat quasi das Klischee des Privatdetektivs, wie wir es heute kennen, definiert: den einsamen Streiter, der im Umfeld von Gewalt, Korruption und Verrat durch die Straßen einer Großstadt zieht, im Verbrechermilieu abtaucht, in einer Welt der menschlichen Niedertracht zuhause ist. Diese Ikone des amerikanischen Detektivromans wird von Regisseur Robert Altmanaus den 1930er Jahren in die damalige Gegenwart der frühen 1970er Jahre transplantiert – Marlowe wirkt hier wie ein Fremdkörper, ein aus der Zeit gefallener, der unverdrossen an die Loyalität seiner Auftraggeber glaubt und seinen Anachronismus unterstreicht, indem er einen Lincoln Convertible aus den 1940ern fährt.
In besagter Nacht wird Marlowe in seinem Appartement von einem alten Freund aufgesucht; der bittet ihn um eine eilige Fahrt nach Tijuana an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Die Umstände dieser Abreise sind reichlich suspekt, aber Marlowe hilft seinem Kumpel natürlich. Nur wenige Stunden später steht der allerdings unter Mordverdacht und Marlowe muss sich einem Verhör durch misstrauische Polizisten unterziehen. Anschließend wird er von einer Frau beauftragt, deren verschwundenen Ehemann zu finden. Der sitzt in einer dubiosen Nervenklinik, aus der ihn Marlowe mit unverfrorenem Improvisationsgeschick befreit – so wie später Jim Rockford seine Fälle löst.
Der mithilfe von Marlowe Heimgekehrte erweist sich schnell als ein trunksüchtiger Schriftsteller, der zugleich ein unberechenbarer Choleriker ist: im einen Moment überzieht er seine Partygäste mit kraftvollem Geschrei, im anderen nickt er am Schreibtisch ein. Marlowe gerät durch diesen eigentümlichen Auftrag, aber auch durch die rätselhafte Flucht seines Freundes nach Mexiko in einen Strudel des Verbrechens und schwebt bald selbst in Lebensgefahr. Eine Handlung, die so klassisch ist wie ihr Protagonist.
So einen Film hätte es nur wenige Jahre zuvor vermutlich nicht gegeben. Altman begann als Regisseur zu arbeiten, als es für die großen Studios noch undenkbar war, dass zwei Schauspieler in einem Dialog gleichzeitig und nicht fein säuberlich nacheinander sprechen. Doch indem Altman mit der Kriegsparodie „M.A.S.H.“ (1970) reichlich Geld in die Kassen spülte, eroberte er sich gewisse Privilegien. Mit denen drehte er dann Filme wie den zynisch-realistischen Anti-Western – oder eben „Der Tod kennt keine Wiederkehr“.
Die deutsche Titelversion lässt einen der Spaghetti-Western vermuten, wie sie damals noch gedreht wurden. Stattdessen ist es eine Hommage an den Film noir. Altman zeigt eine ganze Reihe von Klischeefiguren, aber das trägt nur zur gelungenen Atmosphäre dieses Films bei. Da ist der wortkarge Protagonist, der permanent raucht, flucht und eigentlich immer lädiert und desolat aussieht – den wir ohne Unterbrechung verfolgen und der währenddessen ja auch tatsächlich sich nie die Zähne putzt oder duscht. Dann ist da die hilflos wirkende Frau, die ihm in schüchterner Verzweiflung einen Auftrag erteilt, aber in Wirklichkeit ein Geheimnis verbirgt. Der brutale Gangster, der dem Protagonisten unendlich Schlimmes androht, wenn der ihm nicht behilflich ist. Und natürlich die unvermeidlichen Ermittler der örtlichen Polizei, die es überhaupt nicht gerne haben, wenn ein Privatdetektiv wie Marlowe in ihrem Revier wildert, und die ihn mehr als Feind denn Verbündeten betrachten – auch dieses Motiv wird immer wieder in den kurz darauf gestarteten „Rockford Files“ (1974–80) aufgegriffen.
Auch viele Charakteristika späterer Altman-Filme tauchen hier auf. Eines davon sind die wunderbar unkonventionellen Kameraperspektiven: Weil die Kamera ganz oft von außen in ein Fenster blickt, hinter dem sich die Charaktere unhörbar unterhalten, leise in einen Raum hineinschwebt oder wie ein Spion aus dem Blumenkasten hervorschaut, fühlt man sich als Zuschauer tatsächlich in einer Beobachterrolle, aus der man auf reale Ereignisse blickt. Das liegt auch daran, dass Altman die Kamera umherfliegen und fast nie stillstehen lässt. Man merkt förmlich, wie dieser Regisseur und seine Crew mit ungewöhnlichen Techniken gegen die verstaubten Routinen des alten Hollywood angehen. Sämtliche Szenerien, in denen sich Marlowe bewegt, sind äußerst stimmungsvoll ausgeleuchtet und verleihen dem Film eine Aura, wie sie nur die ganz besonderen Werke umgibt. Wenn man sich etwas Zeit nimmt und auf die audiovisuelle Wirkung der Szenen konzentriert, lässt sich verstehen, warum auch von Filmkunst gesprochen wird.
Eine Szene sei an dieser Stelle noch besonders erwähnt: Darin wird Marlowe mit dem Gangster Marty Augustine und dessen Schlägern konfrontiert. Einer von Augustines Schergen wird von Arnold Schwarzenegger gespielt. Zwar noch mit einem geradezu jungenhaften Gesicht, das über einem monumentalen Körper thront, aber unverkennbar: der spätere Barbar Conan, Terminator, Predator-Killer und „Governator“. Dieser Mann, der zu einem der prominentesten Schauspieler der Filmgeschichte avancierte und sich als Gouverneur des Sonnenstaats Kalifornien quasi zum politischen Oberhaupt des amerikanischen Filmstaats aufschwang: Dieser Mann war da erst vor Kurzem der österreichischen Provinz, seiner Heimat, entkommen und in die Vereinigten Staaten eingereist – bereit, das Credo vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten beim Wort zu nehmen. Wäre Schwarzeneggers Karriere gescheitert, dann würde man sich heute allenfalls wundern, weshalb Altmans Team damals diesen Bodybuilder als Komparsen engagiert hatte – denn das Muskelpaket wirkt zwischen all den anderen Figuren reichlich deplatziert.
So aber ist die Szene mit Schwarzenegger umso erhellender, denn hier zeigt sich unverkennbar dessen Ambition auf eine wahrhaft große Karriere. Und Altman machte daraus eine Schwarzenegger-Szene – ohne dass hierfür ein zwingender Grund bestand: Nachdem Marlowe abermals von Augustine zur Rede gestellt wird, verlangt der unberechenbar brutale Gangster von allen Anwesenden, sich auszuziehen – denn schließlich habe ein nackter Mann nichts mehr zu verbergen und also könne Marlowe ihn nicht über den Tisch ziehen. Prompt beginnen sich die Schläger auf Geheiß ihres Chefs auszuziehen, allen voran Schwarzenegger, der den Moment nutzt, um seine durchtrainierte Statur vor der Kamera zu präsentieren. Bei jeder seiner Bewegungen zuckt die Brustmuskulatur und offenbart die filigrane Kraftmanie ihres Besitzers, Schwarzenegger, aus dessen ganzer Körperspannung und unveränderter Mimik der Wille spricht, sich hier aller Welt zu zeigen und die Bühne des großen Kinofilms zu nutzen (Elliott Goulds Marlowe zieht sich übrigens nicht aus).
Die damalige Bedeutung Schwarzeneggers in Hollywood bemisst sich allein schon daran, dass er nicht einmal im Abspann erwähnt wird. Den Weg, den er anschließend zurücklegte und der die Mechanismen der Filmbranche veranschaulicht, zeigt sich hingegen an einem anderen Umstand: Elliott Gould kennt heute kaum jemand mehr, Robert Altman nur wenige, Schwarzenegger dagegen …
Text verfasst von: Robert Lorenz